Erinnern Sie sich noch an Ihr schönstes Erlebnis der letzten Woche? Oder daran, was Sie am Sonntag zu Mittag gegessen haben? Das könnte an dem Protein Arc liegen, das vor hunderten Millionen Jahren als Virus in unser Erbgut gelangt ist und seitdem von Generation zu Generation weitervererbt wird. Das neuronale Gen in Proteinform scheint für unser Langzeitgedächtnis verantwortlich zu sein und wird von Hirnforschern der University of Utah genau unter die Lupe genommen.
Auch wenn Abschnitte früherer Eindringlinge dieser Art ungefähr die Hälfte unseres Genmaterials ausmachen, so ist das Arc-Protein doch etwas ganz besonderes. Denn im Gegensatz zu den meisten anderen Überbleibseln, hat es seinen ursprünglichen Aufbau und seine Funktionsweise nicht gänzlich verloren.
Wie die Hirnforscher herausgefunden haben, schließen sich mehrere Arc-Proteine in einer Zelle zu einer kapsidartigen Kapsel (einer Art Virushülle) zusammen, die in Ihrer Funktionsweise einem Virus immer noch stark ähnelt. Dieses Kapsid aus Arc-Proteinen kann seine Bauanleitung in Form von RNA im Inneren festhalten, sich weitere vorbei schwimmende RNA-Sequenzen einverleiben, in andere Zellen eindringen, dort an ein Neuron andocken und die RNA mit der Bauanleitung freigeben. Der Unterschied zu einem herkömmlichen Virus ist: Arc nützt seinem Wirt und schadet ihm nicht.
Welcher Nutzen das genau ist, daran forscht das Team der University of Utah um den Forscher Jason D. Shepherd bis heute. Nach den neusten Ergebnissen gilt es als wahrscheinlich, dass das Arc-Kapsid durch das Weiterleiten von zusätzlichen und bis jetzt unbekannten Informationen einen neuen Kommunikationskanal zwischen den Gehirnzellen entstehen lässt.
Es ist zudem möglich, dass das Arc-Protein das Erregungsniveau der Nerven ausbalanciert. Denn in unser Gehirn verändert sich ständig durch immerzu laufende Lernvorgänge. Besonders in der Kindheit verleiht das Arc-Protein unserem Gehirn zudem die Fähigkeit, plastisch auf Veränderungen zu reagieren. Auch ein Zusammenhang zwischen neurologischen Entwicklungsstörungen und dem Arc-Protein konnte festgestellt werden.
So wird klar, dass das Arc-Protein von großer Bedeutung für die menschliche Gehirnentwicklung ist. Ohne es, hätten der Mensch und viele andere Säugetiere sich vielleicht ganz anderes entwickelt. Denn erst dieses Protein scheint es uns zu ermöglichen, Informationen dauerhaft abzuspeichern und uns somit auch an lang vergangene Situationen zu erinnern. Denken Sie also an das Arc-Protein, wenn Sie sich das nächste Mal an schöne Momente aus Ihrer Vergangenheit oder das letzte Sonntagsessen erinnern.
Quellen:
Pastuzyn, Elissa D. et al.: The Neuronal Gene Arc Encodes a Repurposed Retrotransposon Gag Protein that Mediates Intercellular RNA Transfer, Cell , Volume 172 , Issue 1 , 275 – 288.e18: https://doi.org/10.1016/j.cell.2017.12.024
Jan Dönges: Ein uraltes Virus hilft uns offenbar beim Lernen, 11.01.2018: https://www.spektrum.de/news/ein-uraltes-virus-hilft-uns-offenbar-beim-lernen/1532117